Hessisches Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz

Gesetz zur Reform des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes beschlossen

Der Hessische Landtag hat in dritter Lesung den Gesetzentwurf der Hessischen Landesregierung zur Neufassung des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes (HVSG) verabschiedet.

Aus Sicht von Hessens Innenminister Roman Poseck verfügt das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen mit der Gesetzesänderung für die Zukunft über die Befugnisse, die es braucht, um Extremisten effektiv zu begegnen:

„Als Seismograph für extremistische Bestrebungen sind Verfassungsschutzbehörden darauf angewiesen, entsprechende Informationen und Daten sammeln, auswerten und für andere staatliche Stellen und Sicherheitsbehörden aufbereiten zu können. Mit dem neuen Hessischen Verfassungsschutzgesetz stärken wir unser Landesamt für Verfassungsschutz, damit Extremisten noch effektiver bekämpft werden können. Das ist dringend nötig, denn unsere Demokratie steht von innen und außen, insbesondere durch Extremisten vom rechten und linken Rand, so unter Druck wie nie zuvor. Das unterstreicht auch der Verfassungsschutzbericht für Hessen: Das extremistische Personenpotential in Hessen liegt auf einem konstant hohen Niveau von knapp 13.000 Personen. Die Zahl der extremistischen Straf- und Gewalttaten, überwiegend aus dem rechtsextremistischen Bereich, hat sich im Jahr 2024 mit 2.527 Straftaten gegenüber dem Jahr 2022 mit 1.243 Straftaten mehr als verdoppelt. Das ist eine erschreckende Entwicklung, auf die reagiert werden muss.

Die in weiten Teilen einvernehmliche Anhörung im Innenausschuss hat gezeigt, dass die Landesregierung einen guten und sorgfältig abgewogenen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2024 umsetzt. Mit dieser Entscheidung wurden einzelne Vorschriften des HVSG für verfassungswidrig erklärt, aber auch bereits vorgenommene Anpassungen im HVSG weitgehend bestätigt.

Künftig kann das LfV Hessen dank der neuen Rechtsgrundlage zur Online-Durchsuchung als Ultima Ratio – wenn die Erforschung des Sachverhalts anders nicht möglich oder erheblich erschwert wäre und eine richterliche Anordnung vorliegt und polizeiliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden kann – auf das Handy oder den Computer eines Extremisten zugreifen, um an Informationen, zum Beispiel über Anschlagsziele, heranzukommen. Das ist dringend geboten, da Extremisten und andere Akteure auch dank der Möglichkeiten digitaler Technologien zunehmend verdeckt agieren und sie dabei gleichzeitig vermehrt die Möglichkeiten des digitalen Raums zur verschlüsselten Kommunikation und Vernetzung nutzen. In Bayern ist die Online-Durchsuchung dem Verfassungsschutz bereits möglich, in Berlin befindet sich ein entsprechender Gesetzentwurf in parlamentarischer Beratung. Angesichts der weit verbreiteten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von digitalen Anwendungen sind die Quellen-Telekommunikationsüberwachung zur Auswertung laufender Kommunikation und die Online-Durchsuchung zum Zugriff auf gespeicherte Informationen aktuell häufig die einzige verbleibende Möglichkeit für Verfassungsschützer, an für ihre Arbeit relevante Informationen zu gelangen.

Zunehmend stellen unsere Sicherheitsbehörden auch fest, dass Radikalisierungsspiralen – befördert auch durch Soziale Medien wie TikTok – insbesondere bei jungen Menschen in Gang gesetzt werden. Die Zerschlagung einer mutmaßlich rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung im Frühjahr bestehend aus Personen zwischen 14 bis 18 Jahren, von denen der 14-Jährige aus dem Lahn-Dill-Kreis stammt, zeigen die Gefahr durch junge Demokratiefeinde; extremistische Gewalttaten durch minderjährige Personen nehmen zu. Mit dem neuen Rechtsrahmen kann unser LfV im Einzelfall nach einer sorgfältigen Abwägung Daten auch länger speichern. Diesbezüglich hat das neue Gesetz verglichen zum ersten von uns vorgelegten Gesetzentwurf auch eine punktuelle Änderung erfahren, die wir aus den Sachverständigenanhörungen aufgenommen haben. So haben wir die Schwelle für die Speicherung von Daten Minderjähriger konkretisiert und ,tatsächliche Anhaltspunkte für das Erfordernis einer Fortdauer der Speicherung‘ vorgeschrieben. Auch den Straftatenkatalog, der vorgibt, wann das LfV Hessen Daten an Strafverfolgungsbehörden weitergeben darf, haben wir in Umsetzung der Erkenntnisse aus der Sachverständigenanhörung zum Beispiel um Straftatbestände wie die Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole reduziert.

Extremismus kann der Staat aber nicht alleine begegnen. Für eine wehrhafte Demokratie braucht es informierte und aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger. Nur so kann extremistischen Bestrebungen gesamtgesellschaftlich effektiv begegnet werden, deshalb hat das LfV Hessen auch einen gesetzlich festgeschriebenen Auftrag zur Prävention und Öffentlichkeitsarbeit. Für letzteres, die Aufklärung der Öffentlichkeit über extremistische Bestrebungen, haben wir nun explizit eine Rechtsgrundlage geschaffen. Beispielsweise hat die vorgezogene Bundestagswahl gezeigt, dass jederzeit ein kurzfristiger Bedarf zur Aufklärung der Öffentlichkeit entstehen kann, auch abseits der jährlich erscheinenden Verfassungsschutzberichte. Die Präventionsarbeit dient ausschließlich der Information, Aufklärung und Beratung der Öffentlichkeit.

Alles in allem ist aus dem bereits guten Gesetzentwurf im Laufe der parlamentarischen Beratungen durch punktuelle Anpassungen ein noch besseres Gesetz geworden. Die Sicherheitslage hat sich in Deutschland verschärft. Darauf muss der Staat Antworten geben. Mit starken Nachrichtendiensten stärken wir auch unsere eigene Souveränität. Dank des neuen Hessischen Verfassungsschutzgesetzes und der damit einhergehenden neuen Befugnisse kann unser LfV Extremisten auf Augenhöhe begegnen. So können wir den Gefahren durch Rechtsextremismus, Linksextremismus und Islamismus effektiv begegnen.

Ich weise auch Versuche zurück, den Verfassungsschutz einzuschüchtern und zu diffamieren. Es ist unerträglich, wenn Bundespolitiker Mitarbeiter des Verfassungsschutzes als ,schmierige Stasi-Spitzel‘ bezeichnen. Ich stehe hinter den Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, die politisch neutral und allein zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung handeln. Es ist jedes Maß in der Debatte verloren gegangen, wenn das Handeln des Verfassungsschutzes in einem Rechtsstaat wie unserem mit dem Handeln in der DDR verglichen wird. Solche Vergleiche sind gleichzeitig eine Verhöhnung der Opfer, die sich in der damaligen DDR für Demokratie und Rechtsstaat eingesetzt haben.“

Mit dem beschlossenen Hessischen Verfassungsschutzgesetzes wurde auch das Gesetz zur parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes in Hessen (Verfassungsschutzkontrollgesetz) geändert: Die Pflicht der Landesregierung zur Unterrichtung des Hessischen Landtags über bestimmte Maßnahmen des LfV in jährlichem Abstand gilt fortan auch für Online-Durchsuchungen. Neu geregelt im Verfassungsschutzkontrollgesetz wurde auch, dass Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission nach Ablauf der Wahlperiode oder nach Auflösung des Landtags bis zur Wahl einer neuen Parlamentarischen Kontrollkommission im Amt bleiben. Diese Regelung ist erforderlich, um die Handlungsfähigkeit der Kontrollkommission und somit die Kontinuität der verfassungsrechtlichen Kontrolle sicherzustellen.

Formale Anpassungen am Hessischen Versammlungsfreiheitsgesetz

Auch einzelne Vorschriften des 2023 vom Hessischen Landtag verabschiedeten Hessischen Versammlungsfreiheitsgesetzes (HVersFG) werden mit dem Gesetz neu erlassen bzw. marginal ergänzt. Diese formalen Änderungen waren notwendig, da der Hessische Staatsgerichtshof im März 2025 die inhaltlich nicht beanstandeten Vorschriften zur Sicherstellung und Einziehung von Gegenständen für verfassungswidrig erklärte, weil in § 29 HVersFG (Einschränkung von Grundrechten) das durch diese Vorschriften ausgestaltete Grundrecht der Eigentumsgarantie nicht genannt wird (Verstoß gegen das sogenannte Zitiergebot).

In Folge dieser neuen Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs war es ebenfalls erforderlich, das Hessische Verfassungsschutzgesetz konstitutiv neu zu fassen.

Hiervon betroffen sind darüber hinaus auch das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) und das Hessische Freiwilligen-Polizeidienst-Gesetz, sodass diese neue Rechtsprechung auch hier umgesetzt wurde.